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Neurojackpot

Neurojackpot


Für Fachpersonen

Körperliche Beschwerden ohne organpathologischen Befund treten in der Primärversorgung mit über 30% der Fälle sehr häufig auf und stellen eine grosse Herausforderung für Patient:innen und behandelnde Ärzt:innen und Therapeut:innen dar.

Der Paradigmenwechsel

Neuroplastische Schmerzen und Symptome treten sehr häufig auf und haben deshalb eine sehr hohe differentialdiagnostische Wahrscheinlichkeit. Sie werden durch neuronale Veränderungen im Hirn aktiviert, die über Lernerfahrungen angelegt wurden, ohne dass die Symptome primär auf morphologische Schädigungen zurückgehen.1, 2

In den meisten Fällen besteht im deutschsprachigen Raum noch immer die Annahme, dass das Lernen, mit den Schmerzen & Symptomen zu leben, um trotzdem eine gewisse Lebensqualität zu haben, die einzige Option ist. Es wird auf lange Sicht noch immer primär darauf fokussiert, Patient:innen im Erlernen von Schmerzmanagementstrategien zu unterstützen.

Jüngere Forschungsergebnisse und die praktische Erfahrung widerlegen diese Annahme deutlich.

Die modernen Neurowissenschaften liefern seit Jahren Studienergebnisse, welche belegen, dass eine Heilung (ein vollständiges Verlernen) von chronischen Schmerzen & Symptomen für die meisten Menschen möglich ist. Praxistaugliche Therapieansätze, deren Wirksamkeit wissenschaftlich untersucht und belegt wurden, liegen vor3. Ein entsprechender Paradigmenwechsel in der gängigen Praxis ist notwendig, um Patient:innen einen echten Heilungsweg anzubieten und gleichzeitig Frust und Unzufriedenheit bei behandelnden Fachpersonen zu reduzieren.

Die biopsychosoziale Haltung

Für viele Schmerzpatient:innen funktionieren die gängigen medizinischen Behandlungsansätze nicht nachhaltig. Das liegt daran, dass Schmerzen nicht nur ein biomedizinisches Problem sind, sondern auch kognitive, emotionale und soziale Komponenten umfassen4-6. Wirksame Behandlungen müssen daher nicht nur auf den Körper, sondern auch auf das Hirn abzielen. Diese wirksame Behandlung beginnt damit, den Patient:innen zu ermöglichen, ein neues Verständnis über chronische Schmerzen & Symptome zu entwickeln. Ein korrektes Schmerzverständnis und das Wissen, dass den neuroplastischen Schmerzen & Syptomen keine strukturelle oder organische Ursache zugrunde liegt, helfen massgeblich dabei, den Teufelskreis aus Schmerz und Angst zu durchbrechen. Dadurch verlieren die Schmerzen & Symptome ihren Antrieb. Es ist wissenschaftlich belegt (und wird in der Praxis häufig stark unterschätzt), dass bereits die Aufklärung über neuroplastische Schmerzen & Symptome eine erfolgreiche Therapiemöglichkeit darstellt7.

Das gleichberechtigte und simultane Berücksichtigen psychosozialer Faktoren von Beginn der Behandlung an erleichtert es den Patient:innen, einen Zugang zu diesen Aspekten zu finden. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Fachperson und Patient:in und die sorgfältige klinische Bewertung der Befunde sind der Schlüssel zu einer gelingenden Diagnose. Für die erfolgreiche Behandlung steht die therapeutische Beziehung im Zentrum, denn das Einführen des Konzepts der neuroplastischen Schmerzen & Symptome, die Aufklärung über Schmerzen und die Rolle des Hirns sowie das Personalisieren der Informationen, benötigt viel Feingefühl.1

Uns ist bewusst, dass Betroffene im Rahmen dieses biopsychosozialen Verständnisses und daraus abgeleiteten Behandlungsmethoden regelmässige Unterstützung benötigen und den Fachpersonen nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Unser Gesundheits- und Versicherungssystem setzt vielfach Grenzen, welche die Möglichkeiten, die komplexen Ursachen von neuroplastischen Schmerzen & Symptomen zu behandeln, weiter einschränken.

Beratung

[Bild: Brille]

Neurojackpot begleitet Betroffene, welche sich mit dem ganzheitlichen Mind Body Verständnis und daraus abgeleiteten Behandlungsmethoden auseinandersetzen möchten und z.B. mit Pain Reprocessing Therapy beginnen möchten, ihre chronischen Schmerzen & Symptome zu adressieren. Begonnen haben wir damit, weil wir selbst, als wir es gebraucht hätten, ein Unterstützungsangebot in dieser Form in unserem Gesundheitswesen vergeblich gesucht haben. Betroffene sind oft nicht in der Lage, sich das relevante Wissen rund um neuroplastische Schmerzen & Symptome allein anzueignen. Dies hindert sie zu verstehen, dass die Veränderung von Schmerzen & Symptomen ihre eigene, aktive Beteiligung erfordert. Ressourcen, die helfen könnten, sind für Betroffene nicht immer zugänglich.

Unser Wissen und unsere Erfahrungen möchten wir dafür einsetzen, die Erkenntnisse aus der neueren Schmerz- und Traumaforschung, dem daraus resultierenden Mind Body Verständnis und den daraus abgeleiteten Behandlungsmöglichkeiten in der medizinischen und therapeutischen Praxis zu etablieren. Wir beraten Hausärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Physiotherapeut:innen sowie weitere medizinische und therapeutische Fachpersonen.

Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme.

Das Netzwerk

[Bild: Netzwerk]

Wir streben den Aufbau eines schweizweiten Netzwerkes an, bestehend aus Hausärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Schmerzspezialist:innen, Psychotherapeut:innen und weiteren Personen aus verwandten Fachrichtungen, welche über dieses ganzheitliche Mind Body Verständnis verfügen und daraus abgeleitete Behandlungsmethoden anwenden.

Unser Ziel ist es, ein Netzwerk von Fachpersonen aufzubauen, zu welchen wir unsere Klient:innen für medizinische Abklärungen und therapeutische Begleitung verweisen können. Ein Netzwerk an Fachpersonen, welche strukturelle Ursachen ausschliessen und eine korrekte Diagnose für neuroplastische Schmerzen & Symptome stellen können (Ärzt:innen) sowie die entsprechende Behandlung von der Grundversicherung anerkannt anbieten können (Psychotherapeut:innen).

Besteht Interesse, mehr zu erfahren und Teil des Netzwerkes zu werden? Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme.


Informationen und Ressourcen

Fehl- und fehlende Diagnosen

Häufig werden neuroplastische Schmerzen & Symptome (psychophysiologische Störungen, PPS) mit einem biomedizinischen Etikett versehen oder die Betroffenen werden ohne klare Diagnose an Psychologen oder zur Psychiaterin verwiesen. Dies ist ein Dilemma für Betroffene wie auch für die behandelnden Fachpersonen, denn relativ wenig Ärzt:innen und Therapeut:innen verfügen über die Erfahrung, um zu unterscheiden, wann vorliegende Diagnosen die Symptome vollständig erklären und wann nicht.2 Entsprechend hilflos gestaltet sich auch die weitere Behandlung, was wir unter anderem aus eigener Erfahrung wissen.

Psychophysiologic Disorders: Trauma Informed, Interprofessional Diagnosis and Treatment

Um dieses Problem zu lösen, haben führende Fachpersonen im Gebiet der psychophysiologischen Störungen 2019 das Werk Psychophysiologic Disorders: Trauma Informed, Interprofessional Diagnosis and Treatment veröffentlicht (Dr. David Clarke, Dr. Howard Schubiner, Dr. Mags Clark-Smith und Dr. Allan Abbass). Das Buch liefert einen evidenzbasierten Ansatz, um psychophysiologische Störungen zu diagnostizieren und behandeln. Statt PPS nur durch Ausschlussdiagnosen zu diagnostizieren, wird ein traumabezogener, evidenzbasierter positiver Ansatz erläutert (“once a structural condition is rouled out, one should look carefully at the symptoms to rule in PPD”8). Es wird aufgezeigt, wie Fachpersonen lernen können, ihre Patient:innen auf dem Weg zur Heilung von chronischen Schmerzen und anderen Symptomen zu unterstützen, indem aktuelle Lebensumstände, frühere Traumata, unterdrückte Emotionen und die bis heute anhaltenden Auswirkungen von negativen Kindheitserfahrungen untersucht und behandelt werden.

Zusätzlich wurde 2022 das Diagnosehandbuch A Diagnostic Guide for Psychophysiologic Disorders veröffentlicht (Dr. David Clarke, Dr. David Schechter und Dr. Howard Schubiner)9.

Weitere Quellen und Aufklärungskampagnen

Unterdessen wurde ein Dokumentarfilm über Pain Reprocessing Therapy und die “Boulder Back Pain Study”3 produziert. Pain Brain gibt es auf Vimeo zu sehen.

In verschiedenen Ländern wurden bereits Aufklärungskampagnen für die breite Öffentlichkeit lanciert:


Literatur

1Abbass, A., Schubiner, H. (2018). Hidden from View: A clinicians guide to psychophysiologic disorders (1. Aufl.). Psychophysiologic Press.2Clarke, H., Schubiner, H., Clarke-Smith, M. & Abass, A. (2019). Psychophysiologic disorders: Trauma informed, interprofessioal diagnosis and treatment (1. Auflage). Psychophysiologic Disorders Association.3Ashar, Y. K., Gordon, A., Schubiner, H., Uipi, C., Knight, K., Anderson, Z., Carlisle, J., Polisky, L., Geuter, S., Flood, T. F., Kragel, P. A., Dimidjian, S., Lumley, M. A., & Wager, T. D. (2022). Effect of Pain Reprocessing Therapy vs Placebo and Usual Care for Patients With Chronic Back Pain: A Randomized Clinical Trial. JAMA psychiatry, 79(1), 13–23.4Edwards, R. R., Dworkin, R. H., Sullivan, M. D., Turk, D. C., & Wasan, A. D. (2016). The Role of Psychosocial Processes in the Development and Maintenance of Chronic Pain. The journal of pain, 17(9 Suppl), T70–T92.5Flor H. (2014). Psychological pain interventions and neurophysiology: implications for a mechanism-based approach. The American psychologist, 69(2), 188–196.6Tajerian, M. & Clark, J. D. (2017). Nonpharmacological Interventions in Targeting Pain-Related Brain Plasticity. Neural plasticity, 2017, 2038573.7Louw, A., Puentedura, E. J., Zimney, K., & Schmidt, S. (2016). Know Pain, Know Gain? A Perspective on Pain Neuroscience Education in Physical Therapy. The Journal of orthopaedic and sports physical therapy, 46(3), 131–134.8Clarke, D. D. & Schubiner, H. Introductions. In Clarke, D.D., Schubiner, H., Clarke-Smith, M. & Abass, A. (2019). Psychophysiologic disorders: Trauma informed, interprofessioal diagnosis and treatment (1. Auflage). Psychophysiologic Disorders Association. S. 3-13.9Clarke, D. D., Schechter, D. & Schubiner, H. (2022). A Diagnostic Guide for Psychophysiologic Disorders (1. Auflage). Psychophysiologic Disorders Association.
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